Der Schluckakt


Der Schluckakt- oder eine kleine Einführung in die Komplexität der einfachsten Sache der Welt

Schluckakt

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Denken Sie einmal nach, haben sie sich schon jemals Ihren Kopf über den Ablauf des Schluckaktes zerbrochen … ?

Jeder kann schlucken, also kann das ja wohl nicht so kompliziert sein!

Leider entbehrt diese, weit verbreitete, Meinung jeder Grundlage. Das Schlucken ist eine der, wenn nicht sogar die anspruchsvollste Leistung die unser Körper zu vollbringen hat. Nahezu 100! Muskeln, die meist paarig angelegt sind, sowie 6 von 12 Hirnnerven müssen, für das reibungslose Schlucken, in kürzester Zeit teils gemeinsam, teils nacheinander aktiv werden.

Der Schluckakt wird in die folgenden vier Schluckphasen eingeteilt: prä-orale-, orale-, pharyngeale- und die ösophageale Phase unterteilt. Auch schon die isolierte Störungen eines einzelnen Muskelpaares kann zu einem Abgleiten von Nahrung in die Luftröhre und somit in die Lunge führen. Das große Problem hierbei besteht darin, dass das Lungengewebe unfähig ist, die einzelnen Nährstoffe der Nahrung, wie Fette und Eiweiße abzubauen, weil die Spaltung dieser Stoffe, erst durch die dafür nötigen Enzyme im Magen bzw. im Dünndarm möglich wird. Lediglich Kohlenhydrate können, bis zu einem gewissen Maß, auch in der Lunge aufgespaltet werden, da die dafür benötigten Enzyme bereits im Speichel vorhanden sind.

Die Häufigkeit einer initial (zu Beginn) vorliegenden Schluckstörung (Dysphagie) beträgt nach einem Schlaganfall in der Akutphase über 60%! Erfreulicherweise bilden sich die meisten Dysphagien zügig und gut zurück, so das sich gute 80% der Betroffenen nach einem halben Jahr schon wieder problemlos, oder mit erlernten Kompensationstechniken voll-oral ernähren können. Erschreckend ist die Tatsache, dass 2/3 der Aspirationen stumm verlaufen! (also ohne Hustenattacke), und genau das macht die Dysphagie in den ersten Tagen und Wochen nach dem Schlaganfall so gefährlich! Während man vor einigen Jahren, das Auftreten einer Lungenentzündung nach Apoplex, noch für eine Folgeerscheinung des geschwächten Immunsystems hielt, weiß man heute, das all zu oft die eigentliche Ursache hierfür, in einer nicht erkannten oder in ihrer Ausprägung zu gering eingeschätzten Schluckstörung liegt.

Nicht nur ein Schlaganfall kann die Ursache für eine Schluckstörung sein, bei vielen fortschreitenden neurologischen Erkrankungen entwickeln sich im Verlauf ebenfalls eine Dysphagie, so wird z.B. das Auftreten einer Schluckstörung bei M. Parkinson mit ca. 90% angegeben.

Die vier Schluckphasen und ihre physiologische Funktion

Prä-orale Phase: Die Silbe „Prä“ heißt übersetzt vor und „oral“steht für den Mundinnenraum. Diese Phase beinhaltet also Handlungen oder Wahrnehmungen die auf die Nahrungsaufnahme Einfluss nehmen, noch bevor diese in den Mund gelangt. Dazu gehört z.B. die Geruchs- und Sehwahrnehmung. Bekommt unser Gehirn von diesen beiden Sinnen eine positive Rückmeldung über die angebotene Speise, wird die Lust am Essen und damit unter anderem die Speichelproduktion angeregt. Eine erhöhte Speichelproduktion ist wichtig für den störungsfreien Ablauf der folgenden Schluckphasen. Wenn wir die Nahrung auf unser Essbesteck befördern kann sich unser Gehirn über den visuellen Kanal auf die Menge und Konsistenz der zu verarbeitenden Nahrung einstellen. Das Führen der Nahrung zum Mund erfolgt erst dann, wenn der Körper verarbeitungsbereit ist.

Orale Phase: Die aufgenommene Nahrung wird ’schluckbar’gemacht. Sie wird eingespeichelt, zerkleinert und durch seitliche Bewegungen der Zunge, zu einem gut kontrollierbaren Paket (Bolus) geformt. Durch eine Anhebung des weichen Gaumens wird verhindert, dass Teile der Nahrung in den Nasenraum gelangen. Anschließend wird der Bolus über schlangenförmige Rückwertsbewegungen in Richtung Rachen befördert. Durch die Anhebung des hinteren Zungenteils zum weichen Gaumen werden Regionen aktiviert, die den Schluckreflex auslösen (zum besseren Verständnis: vor der Auslösung dieses Reflexes kontrollieren wir den Ablauf willentlich, nach der Reflexauslösung verlaufen die weiteren Abläufe automatisiert und ohne Möglichkeit einer äußeren Einflussnahme ab.

Pharyngeale Phase: Mit der Reflexauslösung hebt sich der Kehlkopf (KK), gleichzeitig treten drei Schutzmechanismen (-Deckelung des KK. und Schluss von Taschenfalten und Stimmlippen) in Kraft, die verhindern, dass Nahrung in Luftröhre und Lunge gelangen kann. Die Nahrung wird Richtung Speiseröhre transportiert.

Ösophageale Phase: Am Eingang und am Ende der Speiseröhre befindet sich ein Verschluss. Durch die Anhebung des KK am Ende der oralen Phase wird dieser kurzzeitig geöffnet, um die Nahrung passieren zu lassen. Durch wellenförmige Bewegungen der Speiseröhre wird die Nahrung zum Magen transportiert. Die beiden Verschlüsse (Ösophagussphinkter / Magenpförtner) verhindern den Rücklauf von Nahrung in die Speiseröhre bzw. in den Mund/Rachenraum.